Nachwuchsgewinnung: Wie begeistert man junge Menschen für die Ausbildung?

Seit Jahren schauen viele Betriebe mit großer Sorge auf den fehlenden Fachkräftenachwuchs. Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt. Doch wie schafft man es, junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern? Kompass hat sich bei Schleswiger Unternehmen umgehört.
Text: Britta Matzen · Fotos: Foto Sliasthorp, Redaktion

Winter 2023 / Kompass 36

Malerausbildung: Eine Männerdomäne wird weiblich

Im Juli 2018 hat Inga Hansen die Malerei Matthiesen übernommen. Damit ist der Traditions-Handwerksbetrieb seit mehr als 70 Jahren erstmals in Frauenhand. Das Klischee, dass Handwerk Männersache ist, ist längst überholt, meint die Malermeisterin. „Das merke ich auch an meinem Team, wir haben viele Mädels dabei.“ Sie selbst ist  handwerklich geprägt, ihr Vater hatte eine Tischlerei, die inzwischen ihr Bruder führt. „Schon als Kind war für mich klar, dass ich auf jeden Fall was Handwerkliches machen will. Irgendwo nur im Büro zu sitzen, das konnte ich mir nicht vorstellen.“ Vier Auszubildende hat Inga Hansen aktuell, drei davon sind Frauen. „Zu 80 Prozent bewerben sich bei mir Mädels. Ich glaube schon, dass es daran liegt, dass ich selbst eine Frau bin und dass wir viele weibliche Kräfte im Team haben.“ Grundsätzlich werde der Malerberuf zunehmend weiblicher, das mache sich auch zahlenmäßig in der Berufsschule bemerkbar, wo Männer und Frauen nach Einschätzung der Firmenchefin inzwischen in etwa ausgeglichen vertreten seien.

Die Auftragsbücher der Malerei Matthiesen sind voll, Inga Hansen könnte gut mehr Mitarbeiter gebrauchen. „Aber es ist schon schwierig, gute Leute zu finden und auch zu halten.“ Die Fluktuation bei dem Schleswiger Handwerksbetrieb ist erfreulich gering. Die Strategie der Matthiesen-Chefin, um die Zufriedenheit des Einzelnen zu sichern: Sie setzt auf ein gutes Arbeitsklima und flache Hierarchien. 

„Früher war es oft so, dass der Chef cholerisch war und auf den Baustellen rumgeschrien wurde. Das hat sich zum Glück deutlich gewandelt. Wir gehen fair und freundlich mit unseren Lehrlingen um, die den gleichen Stellenwert wie die Gesellen haben.“

Bei der Malerei Matthiesen wird kein Mitarbeiter bevorzugt behandelt, die Azubis müssen genauso ran wie die Gesellen, und die Gesellen müssen auch beim Ausräumen der Fahrzeuge mit anpacken.

Bonusvergütungen sind bei Matthiesen nicht üblich. Aber bei guter Leistung erhöht Inga Hansen das Gehalt schon mal von sich aus. Einmal im Jahr führt die Chefin Mitarbeitergespräche, um Ziele für das nächste Jahr zu vereinbaren, über Weiterbildung oder mögliche Verbesserungen zu reden. Fürs prima Betriebsklima gibt es regelmäßig Firmenfeste.

Auch wenn der Malereibetrieb Arbeit bis unter die Hutkrempe hat: Inga Hansen ermöglicht in Ausnahmefällen sogar die 4-Tage-Woche. „Ich bin offen für individuelle Lösungen.“ Die Meisterin rüstet ihr Team auch technisch auf. „Alle Mitarbeiter, ebenso die Azubis, bekommen ein Tablet, damit sie ihre Arbeiten digital dokumentieren können. Das Gerät dürfen sie auch privat nutzen.“ Die Beschäftigten finden das natürlich cool.

Die Malerei Matthiesen beteiligt sich außerdem an einem besonderen Bildungsangebot der Bruno-Lorenzen-Schule in Schleswig: Produktives Lernen. Dieses richtet sich an Jugendliche der Klassen 8 und 9, die zum Erreichen des Ersten allgemeinbilden-den Schulabschlusses (ESA) ein selbstbestimmtes, praxisorientiertes Lernangebot suchen. Hansen: „Nach den Herbstferien fangen wir mit dem ersten Schüler an, der bei uns ein dreimonatiges Praktikum macht.“

Nachwuchs gesucht für Oellerkings kreative Traumjobs

Die Schleswiger Tauwerkfabrik Oellerking bietet vier verschiedene Ausbildungsberufe an: Im kaufmännischen Bereich bildet das Unternehmen Industriekaufleute aus, im gewerblichen Bereich Technische Konfektionäre, Schilder- und Lichtreklamehersteller sowie Fachinformatiker im Bereich Systemintegration.

20 Mitarbeiter sind bei Oellerking aktuell beschäftigt, darunter 7 Azubis. „Wir haben jetzt schon unsere Stellenanzeigen für das Ausbildungsjahr 2024 veröffentlicht – das machen wir ganz klassisch auf unserer Homepage, über die Agentur für Arbeit und über die Lehrstellenbörse der IHK“, erläutert Personalleiterin Birte Ohm. Zudem arbeitet Oellerking mit zwei Koopera-tionsschulen zusammen – der Schleswiger Dannewerkschule und der Erich-Kästner-Schule in Silberstedt.

Die Dannewerkschule hat zum Beispiel einmal im Jahr einen Berufsorientie-rungstag. Wenn Oellerking teilnimmt, werden nicht nur Flyer verteilt. „Weil wir im gewerblichen Bereich bei den Technischen Konfektionären große Probleme haben, Nachwuchs zu finden, zeigen wir, wie das Berufsbild in der Praxis aussieht“, so Ohm. Gesellen bringen Arbeitstisch und Ausrüstung mit, und dann dürfen die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung loslegen, zum Beispiel aus Planenstoff einen Schlüsselanhänger herstellen. „So bekommen sie ein Gefühl dafür, was bei uns passiert und können Interesse daran entwickeln“, so die Hoffnung der Personalleiterin. Auch Praktikanten sind bei Oellerking gerne gesehen. „Praktika sind bei uns ein sehr gutes Instrument, um zu prüfen, ob die Bewerber für eine Ausbildung bei uns geeignet sind.“ Das gelte natürlich auch andersherum. 

Dennoch ist es für Oellerking schwer, gerade im technischen und gewerblichen Bereich die Ausbildungsstellen zu besetzen. „Wir sprechen vor allem Schüler mit dem Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) und Mittleren Schulabschluss (MSA) an, früher Hauptschul- und Realschulabschluss. Da haben wir schon das Gefühl, dass viele versuchen, weiter zur Schule zu gehen, und dass eine Ausbildung für sie deshalb nicht in Frage kommt“, meint Ohm. 

abei ist die Ausbildung zum Technischen Konfektionär vielseitig und spannend. Was braucht man dafür? Eine Mischung aus technischer Kompetenz, handwerklichem Geschick mit einer guten Portion Kreativität. „Unser Hauptgeschäft ist die Konfektion von Planen für Lkw, Waggons, aber auch für Privatkunden, etwa als Abdeckung für Strandkörbe oder wenn das Vorzelt kaputt ist“, erklärt Personalleiterin Ohm. Diese Erzeugnisse herzustellen, dafür maßstabsgerechte Zeichnungen anzufertigen und die zugeschnittenen Stoffe durch Nähen, Schweißen oder Kleben zusammenzufügen und durch Zubehör wie Beschläge, Ösen oder Drahtseile zu ergänzen, das ist die Aufgabe eines Technischen Konfektionärs. Aber auch das Instandhalten und Reparieren.

Ob bei der Ausbildung zum/r Technischen Konfektionär/-in oder Industriekaufmann/-frau – der Traditionsbetrieb Oellerking bietet durch seine Größe den Vorteil, dass Azubis verschiedene Stationen und Bereiche durchlaufen. Birte Ohm: „Sie lernen dabei unterschiedlichste Aufgaben kennen und können so auch feststellen, was ihnen am besten liegt.“ Das Arbeiten in den verschiedenen Teams und das Einstellen auf immer neue Situationen sei auch für die Persönlichkeitsbildung von Nutzen. Bei Oellerking werden die Azubis in allen Bereichen durch erfahrene Ausbilder bestens betreut. „Dadurch heben wir uns auch von anderen Betrieben ab“, betont die Personalleiterin.

Helios Bildungszentrum: Pflege-Ausbildung jetzt auch in Teilzeit

In der Pflege ist die Personalsituation besonders angespannt. Hier setzt das Helios Bildungszentrum Schleswig mit zwei ganz neuen Ausbildungsmodellen an: der Ausbildung zur Pflegefachkraft in Teilzeit und der einjährigen Ausbildung zur Krankenpflegehilfskraft. Das Helios Bildungszentrum in Schleswig bietet mit mehr als 150 Ausbildungsplätzen ein perfektes Lernumfeld für angehende Pflegetalente.

eit 2023 ist die Ausbildung der Pflegefachkräfte in Teilzeit möglich. Für alle, die aus privaten Gründen weniger Zeit haben. „Damit können wir auch Interessierte ansprechen, die Lust haben, in der Pflege zu arbeiten, die aber kleine Kinder haben, Angehörige pflegen oder auch aus gesundheitlichen Gründen keine Ausbildung in Vollzeit machen können“, sagt die Leiterin des Helios Bildungszentrums, Anette Dubberke. Die Ausbildung dauert entsprechend länger, vier statt drei Jahre. Die Teilzeitausbildung beinhaltet sowohl Theorie- als auch Praxisphasen, wobei die Theorie-Blöcke nicht reduziert werden können. „Aber die praktische Ausbildung, die einen größeren Teil einnimmt, kann in Teilzeit absolviert werden. Das bedeutet, dass man ganz individuelle Zeiten findet. Eine Mutter, die zum Beispiel Kita-Betreuungszeiten von 8 bis 13 Uhr hat, macht auch ihre Ausbildung nur in der Zeit“, benennt Anette Dubberke die Vorzüge des Teilzeit-Ausbildungsangebots.

Die Zugangsvoraussetzung für die Pflegefachausbildung ist ein guter MSA oder ein ESA plus, eine mindestens zweijährige abgeschlossene Ausbildung. Daneben sollte man Interesse an pflegerischen und medizinischen Themen haben, soziale Kompetenzen, Empathie und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein mitbringen.

Bei der neuen, einjährigen Ausbildung zur Krankenpflegehilfskraft kann man schon mit einem ESA einsteigen. Wenn man diese Ausbildung bestanden und gut abgeschlossen hat, ist das auch eine Zugangsmöglichkeit zur Pflegefachausbildung. „Über diesen Weg gehen jetzt viele Schüler, das wird gut angenommen“, bemerkt die Leiterin. Daneben bietet das Bildungszentrum auch die reguläre dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft in Vollzeit an. 

Die Ausbildung zur Pflegefachkraft erfolgt in den Fachbereichen Akutstationär, Langzeitpflege (Pflegeheim), Kinderkrankenpflege, ambulante Pflege und Psychiatrie. Sie vereint die Berufe der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege und der Kinderkrankenpflege und bietet eine Perspektive in diesen drei Bereichen. „Die Pflege ist ein verantwortungsvoller und abwechslungsreicher Job“, sagt Dubberke. Als Pflegekraft ermittle man eigenständig den Unterstützungsbedarf von Patienten und deren Angehörigen. Man plane die erforderlichen Maßnahmen, organisiere und führe diese berufsübergreifend durch – immer mit dem Ziel, Gesundheit zu erhalten oder wieder herzustellen, Krankheiten zu vermeiden und Leiden zu lindern. „Als Pflegefachkraft erfährt man ein hohes Maß an Dankbarkeit, Wertschätzung und Anerkennung. Es handelt sich zudem um einen zukunftssicheren Beruf mit einer Vielzahl von Karrieremöglichkeiten.“

Was zeichnet die Ausbildung im Helios Bildungszentrum in Schleswig besonders aus? „Wir haben kompetente Lehrkräfte, sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Wir bereiten unsere Auszubildenden auf die jeweils bevorstehenden Praxiseinsätze gezielt vor und fördern sie ihren Fähigkeiten entsprechend durch individuelles, professionelles Lerncoaching“, führt Anette Dubberke aus. Sie begegneten ihren Azubis mit Wertschätzung und hätten stets ein offenes Ohr.

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Gewerbeverein Region Schleswig e.V. „Die Drachentöter“

Rund 180 Unternehmen aus Schleswig und Umgebung gehören mittlerweile dem Handels- und Gewerbeverein an. Mit der Erweiterung der Mitglieder auf Schleswig und Umgebung war der Name „Gewerbeverein St. Jürgen nicht mehr passend. Per Satzungsbeschluss wurde er auf der Jahreshauptversammlung am 18.9.2019 der Ausrichtung des HGVs entsprechend angepasst auf Gewerbeverein Region Schleswig e.V. „Die Drachentöter. Der Namenszusatz „Die Drachentöter wurde beibehalten. Er zeigt die Wurzeln des Vereins und ist auch weiterhin das Vereinslogo.

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Kontakt Vorsitzende:

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Werner-von-Siemens-Straße 5, 24837 Schleswig · Tel. 04621 9550-0 · E-Mail

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Steinacker 7, 24857 Fahrdorf · Tel. 0151 14108843 · E-Mail

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